Onboarding von neuen Mitarbeitenden: Überbewertet oder doch entscheidend?
«Seit meinem Eintritt sind zwei Wochen vergangen, meinen Vorgesetzten habe ich nur am ersten Arbeitstag gesehen». «Vor zwei Wochen bin ich eingetreten, die IT-Infrastruktur funktioniert aber noch immer nicht». «Ich wurde am ersten Arbeitstag herzlich begrüsst, ein Einführungsprogramm habe ich bis heute nicht gesehen». Haben Sie solche Erfahrungen selbst auch gemacht? Oder kennen Sie Leute in ihrem Umfeld, die Ihnen von solchen Gegebenheiten erzählt haben?
Wenn ich solche Aussagen höre, werde ich hellhörig und vor allem nachdenklich. In welcher Führungsausbildung oder aber auch in welcher HR-Ausbildung ist der erste Arbeitstag und das Onboarding eines Mitarbeitenden nicht Thema? Wie oft wurde schon gesagt und geschrieben, dass der erste Arbeitstag der Matchentscheidende ist, ob ein Mitarbeitender in der Unternehmung bleibt oder innerlich schon wieder gekündet hat?
Die Einführung beginnt schon nach der Vertragsunterzeichnung
Vor vier Monaten wurde der Arbeitsvertrag mit dem neuen Mitarbeitenden unterzeichnet.
4 Monate = 16 – 20 Wochen! Sie denken es ist ja noch unglaublich viel Zeit, um den ersten Arbeitstag vorzubereiten. Wie wäre es aber, wenn Sie den neuen Mitarbeitenden zum Beispiel zum Weihnachtsessen (wenn auch in kleinem Rahmen aufgrund der COVID-Situation) einladen würden? Ich bin sicher, dass sich der neue Mitarbeitende über diese Aufmerksamkeit freuen würde. Ob er/sie anwesend sein wird oder nicht, das kann man getrost dem zukünftigen Mitarbeitenden überlassen. Hat er/sie in den 4 Monaten Geburtstag oder ein anderes wichtiges Ereignis, zeigen Sie, dass Sie sich mit dem Mitarbeitenden verbunden fühlen und sich erkenntlich zeigen. Er oder Sie wird es zu schätzen wissen.
IT-Infrastruktur muss am ersten Arbeitstag funktionieren
Es gibt wohl nichts Schlimmeres für einen neuen Mitarbeitenden, wenn am ersten Arbeitstag die IT-Abteilung den Laptop oder den PC erst noch aufsetzen muss. In der Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und Eintritt ist genügend Zeit vorhanden, um diesen aufsetzen zu lassen und vor allem zu testen!
Bestimmen eines Paten/Patin
Hätten Sie sich bei Ihrem letzten Job nicht auch eine Person gewünscht, die Ihnen während den ersten Tagen und Wochen zur Seite gestanden hätte. Damit ist nicht der direkte Vorgesetzte, sondern ein «Götti» oder eine «Gotti» gemeint. Dies ist idealerweise ein Arbeitskollege oder -kollegin, die für Fragen und Problemstellungen zur Seite steht. Da ist es dem neuen Mitarbeitenden auch mal erlaubt Fragen zu stellen, welche der Vorgesetzte nicht hören muss/soll. Mit diesem bewussten vorgehen, kann oft auch die schnellere Integration ins Team unterstützt werden. Beachten Sie bitte unbedingt, dass der Pate/die Patin, wenn der direkte Vorgesetzte nicht zur Verfügung steht, am ersten Arbeitstag auch die Mittagszeit mit dem neuen Mitarbeitenden verbringt. Es gibt wohl nichts Unangenehmeres für den neuen Mitarbeitenden, als wenn er am Mittag alleine gelassen wird und nicht weiss, wie er/sie sich verpflegen kann.
Ach ja, ein kleines Willkommensgeschenk (Schokolade, Blumen, Gutschein) für den neuen Mitarbeitenden mit ein paar netten Begrüssungszeilen ist am 1. Arbeitstag jederzeit willkommen!
Einführungsprogramm
Die Gestaltung der ersten Tage und Wochen sollte in einem Einführungsprogramm festgehalten sein. Das Einführungsprogramm umfasst die eigentlichen Einarbeitungsschritte für den neuen Mitarbeitenden. Dazu gehören auch Besuche in den organisatorisch vor- und nachgelagerten Abteilungen sowie das Kennenlernen der wichtigsten Ansprechpersonen. In grösseren Unternehmen gehört auch der Besuch von Einführungsveranstaltungen zwingend ins Programm.
Gespräche, Gespräche, Gespräche
Als Vorgesetze/r tragen Sie massgeblich zum erfolgreichen Onboarding bei. Führen Sie am Ende des ersten Arbeitstages, am Ende der ersten Woche sowie am Ende des ersten Monats zwingend mit dem neuen Mitarbeitenden ein Gespräch. Dabei geht es darum in Erfahrung zu bringen, wie es dem neuen Mitarbeitenden geht, wie er angekommen ist, was ihm allenfalls fehlt. Sie können diese Gespräche auch nutzen, um den neuen Mitarbeitenden allenfalls in die richtige Richtung zu begleiten, falls das nötig sein sollte. Vermeiden Sie es dem Mitarbeitenden erst kurz vor Ablauf der Probezeit (zwischen 1 – 3 Monate) reinen Wein einzuschenken. Vor allem dann, wenn sich ein Austritt während der Probezeit abzeichnen sollte.
Fazit
Sowohl die Personalabteilung als auch die Vorgesetzten sollten dem Onboarding grosse Beachtung schenken. Es wäre fatal, den neuen Mitarbeitenden bereits am ersten Arbeitstag zu enttäuschen. Die Praxis zeigt, dass das heute noch viel zu oft passiert. Kündigungen (wenn auch nur innere) während der Probezeit sind leider noch immer Gang zu Gäbe. Wir können mit einem professionellen Vorgehen und einem etablierten Eintrittsprozess vieles schon zu Beginn richtig machen. Nutzen wir doch diese Chance und verlieren wir den «Match» nicht schon in den ersten Minuten der Partie.
Zitat zum Schluss
«Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen zu werden, was sie sein können.»
Johann Wolfgang von Goethe
Dichter